Die Knöchel der schmalen Hand umfassen mit festem Griff den Handlauf des Stufengeländers im CS Hospiz Rennweg. Die Knöcheln leuchten weiß. Schritt für Schritt trainiert Martha Thanner das Gehen. Mutlos, erschöpft und mit viel Zweifel zog Martha T. vor sechs Wochen ins CS Hospiz Rennweg. Umfassend medizinisch, pflegerisch und psychotherapeutisch begleitet verfolgt sie ihr Ziel: Weihnachten daheim. Über Zielstrebigkeit, das Geschenk des Lebens und einen Wunsch, der hoffentlich in Erfüllung geht.

Wenn man Martha T. trifft, sieht man die Spuren ihres früheren Glanzes – aber sanfter, zurückhaltender. Das feste, abgestufte Haar liegt ruhiger als früher, die elegante Haltung ist geblieben, wirkt aber zerbrechlicher. Früher fiel sie auf: eine sportliche, weltgereiste Mutter von drei Kindern, die auf drei Kontinenten lebte und immer wirkte, als hätte sie alles im Griff. Krankheit und Therapien haben Spuren hinterlassen – ihre Würde ist geblieben.

Mit ihrem Mann lebte sie in Neuseeland, Dubai, Rumänien und Dallas. Die Kinder wurden weltweit geboren und leben heute in Portugal, Neuseeland und Mexiko. Dann starb ihr Mann innerhalb weniger Monate. Sie war knapp 40. Zurück in Wien zog sie die drei Kinder allein groß, arbeitete als Lehrerin und baute sich ihr Haus am Stadtrand. Selbstständigkeit war ihr Lebensprinzip. Das hat sie auch ihren mittlerweile erwachsenen Kindern mitgegeben.

Sich auffangen lassen – wenn die eigene Stärke bricht
Mit 63 erkrankte sie schwer. Anfangs versuchte sie wie immer weiterzumachen. Doch irgendwann ging es nicht mehr. „Meine Diagnose hat mich aus meinem sicheren Leben gerissen. Ich lebe alleine – plötzlich wusste ich nicht mehr, wie das gehen soll. Ich merkte, dass ich nicht mehr für mich sorgen kann“, erzählt sie und ihre
tiefgrünen Augen glänzen. Die Therapie wirkte nicht, die Kräfte schwanden, und die Angst wuchs. „Was passiert mit mir, wenn es immer schlechter wird? Ich war extrem verunsichert“, beschreibt sie ihre Lebenssituation. Ihre Kinder unterstützten sie aus der Ferne. „Omi, ich habe heute den Buchstaben R gelernt“, sind die aufbauenden Anrufe der Enkeltochter aus Portugal jeden Tag vor dem Schlafengehen – bis heute. Ihre zwei Lebensfreundinnen – auch Witwen fügt sie hinzu – stehen ihr in Wien zur Seite – doch auch das reichte irgendwann nicht mehr.

Ankommen dürfen – und Sicherheit spüren 
Auf der Suche nach Halt fand Martha T. das CS Hospiz Rennweg. „Ich bin reingefahren worden und vom ersten Moment an habe ich gespürt: Hier bin ich willkommen. Die sind alle so freundlich im CS Hospiz Rennweg. Das war ein beruhigendes Gefühl.“ Im Hospiz stabilisierte sie sich. „Ein Geschenk, noch ein wenig leben zu dürfen“, sagt sie. Sie begann wieder zu gehen, Schritt für Schritt. Wochenlang stand ein Stuhl am Treppenpodest zum Rasten während ihres Trainings. Sie war eisern.

Kraft sammeln – um heimkehren zu können
Für die Stufen im Haus, für den kleinen Garten, für das Wiederankommen daheim trainierte Martha T. mit dem Hospizteam. Am 2. Dezember holten sie ihre beiden Freundinnen mit einem Taxi ab. Zu Hause wird sie vom Mobilen Palliativteam und einer 24 Stunden-Betreuung unterstützt. Die Freundinnen besuchen sie täglich.

Und Weihnachten?
Ab 10. Dezember werden nach und nach ihre Kinder und Enkelkinder aus aller Welt nach Österreich zur Oma reisen. Ein seltenes, kostbares Wiedersehen. Sie kommen in das kleine Haus der Großmutter am Stadtrand.
Abwechselnd, damit es nicht zu viel wird. Fondue – das Thannersche Weihnachtsessen wird geplant. Und so wird Weihnachten im Hause Thanner heuer wohl mehrmals gefeiert. Möge es gelingen: Das Weihnachtswunder: Weihnachten daheim.

Heimgehen können – weil Begleitung 
Würde schenkt
Im Hospiz hat Frau T. erfahren, was ganzheitliche Palliativbegleitung bedeutet: Stabilisierung, Schmerzlinderung,
Gespräche, Trost, Nähe. „Mein neues Leben ist wunderschön und macht mich glücklich – trotz schwerer Krankheit“, schreibt sie in einem Brief an das Team des CS Hospiz Rennweg.Damit Menschen wie Martha T. diesen Weg gehen können – vom ersten Moment der Angst bis zu einem letzten Weihnachtsfest zu Hause – brauchen
wir Unterstützung. 

Damit Weihnachtswünsche Wirklichkeit werden können.

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