Demenzdialog

Als Quintessenz des dreijährigen Projekts „Demenz.Weiter.Denken“ der CS Caritas Socialis, wurde mit Führungskräften und Expert*innen der „Demenzdialog“ entwickelt. Gespräche mit und Rückmeldungen von Betroffenen flossen in die zehn – aus der Perspektive von Betroffenen formulierten - Sätze ein. Zehn Sätze bieten Orientierung und unterstreichen die Achtsamkeit mit der wir einander begegnen. Der Demenzdialog dient als Gesprächsgrundlage für Teams und Angehörige.

 

Ich habe eine Wahl und kann Entscheidungen über mich treffen und beeinflussen.

Sprich mit mir und nicht über mich.

Frau D. ist nach einem Oberschenkelhalsbruch sehr wackelig auf den Beinen. Trotzdem dreht sie täglich ihre Runden mit ihrem Rollator. „Oh, passen Sie auf, Frau D. – ich hab' solche Angst, dass Sie wieder stürzen!“. „Aber Schätzchen, Sie müssen keine Angst haben, die habe schon ich in meinem Bauch, aber ich muss ja weiter üben.“

Ich habe eine Wahl und kann Entscheidungen über mich treffen und beeinflussen.

Sprich mit mir und nicht über mich.

„Mein Name ist Stanoje und nicht Stefan!“ Obwohl Herr G. schon viele Jahre in Österreich lebt, fühlt er sich als Serbe und will, dass dies auch auf seinem Namensschild berücksichtigt wird.

Ich verändere mich und bleibe ICH.

Veränderungen gehören zum Leben.

„Veränderungen gehören zum Leben, aber lesen kann ich ja noch!“, erklärt Anna O. der Heimhelferin der Betreuung zu Hause.

Ich verändere mich und bleibe ICH.

Wie du brauche auch ich Zeit, um mich auf Veränderungen einzustellen.

Karl U. verbringt seinen Vormittag damit „seine“ Post abzuarbeiten. Für ihn fühlt sich der Gang ins Tageszentrum an wie der Gang in die Arbeit früher.

Ich verändere mich und bleibe ICH.

Wie du brauche auch ich zeit, um mich auf Veränderungen einzustellen.

„Da is' mehr kaputt. Das muss alles repariert werden!“ Josef P. hat seinen Beruf als Automechaniker geliebt. Auch jetzt repariert er noch gerne Sachen, die für ihn kaputt erscheinen.

Ich bin angewiesen auf Menschen, die soziale Beziehung mit mir leben und sich selbst als Person einbringen.

Mir tun Menschen gut, mit denen ich mich verstehe, auch wenn nicht immer alles verständlich ist.

„Mein Kopf ist ganz blöd geworden!“, beklagt sich Gerald F. beim gemeinsamen Spaziergang mit Seelsorgerin Sr. Rosemarie und Ilse S., die ebenfalls Demenz hat. Schicksalsgenossin Ilse S. nimmt seine Hand und sagt: „Ich hab‘  dich lieb“. Gerald F. antwortet: „Ich hab‘ dich auch lieb.“

Ich bin angewiesen auf Menschen, die soziale Beziehung mit mir leben und sich selbst als Person einbringen.

Ich kann mein Verhalten nicht immer erklären und steuern.

„Mein Sohn hat mir so schöne Blumen mitgebracht.", freut sich Vera I. Sie hat sich die Blumen so gerichtet, wie
sie für sie schön sind und passen.

Ich bin angewiesen auf Menschen, die soziale Beziehung mit mir leben und sich selbst als Person einbringen.

Mir kann auch ein NEIN zugemutet werden.

„Nein, Herr D., Sie haben schon drei Bananen. Die nehmen wir jetzt mit und bezahlen sie.“ Herr D. aus dem Tageszentrum hat vergessen, dass man die Bananen im Supermarkt bezahlen muss.

Ich nehme am gesellschaftlichen Leben teil, ich muss mich nicht verstecken.

Die passende Umgebung unterstützt mich, mein Leben zu leben.

Wenn Kunst Brücken baut. „Früher habe ich auch Holz sammeln müssen. Wir haben ja im Haus noch alles mit Holz heizen müssen“, erinnert sich Angela H. Der Besuch im Museum ist ein lebendiges sinnliches Erlebnis, das an vorhandene Erinnerungen anknüpfen kann und lässt Menschen mit Demenz am gesellschaftlichen Leben teilhaben.

Mein Leben besteht nicht nur aus gepflegt werden. Ich war nicht immer krank.

Schau auf das, was ich kann und unterstütze mich, es selbst zu tun.

Gelernt ist gelernt – Martha L. war Wirtin aus Leidenschaft. Beim Kochen in der Wohngemeinschaft schneidet sie die gleichmäßigsten Gemüsewürfel, die wir je gesehen haben. Diesmal liegen ganz fein geschnittene blaue Würfel auf dem Brett. Martha L. hat statt dem Gemüse den Abwaschschwamm geschnitten.

Wenn ich ruhig bin, heißt das nicht, dass ich mich langweile.

Ich suche Balance zwischen Ruhe und Aktivität, ich will nicht immer etwas tun. Manchmal ist ein Nickerchen das Beste.

Ich bin mehr als meine Vergangenheit.

Ich will nicht alles aus meinem leben erzählen. Es ist MEINE Lebensgeschichte.

Ich bin mehr als meine Vergangenheit.

Ich will geachtet werden, egal wie ich mich verhalte.

„Heute regnet es bestimmt!“ Davon ist Theresa S. überzeugt. Deshalb kommt sie auch täglich ausgerüstet mit ihrem
roten Regenponcho in das Tageszentrum. „Ja, Frau S., es könnt schon sein, dass es heute regnet. Aber hier drinnen sind Sie ja geschützt.“

Ich bin mehr als meine Vergangenheit.

Ich will geachtet werden, egal wie ich mich verhalte.

„Ich verlege neue Fliesen hier und nun sind Sie da hingestiegen, obwohl es noch nicht trocken ist. Alles muss man doppelt machen, weil hier keiner eine g‘scheite Absperrung machen kann!“

Meine Ordnung ist vielleicht nicht deine Ordnung.

Das gilt für mein Zimmer und für mein Leben.

Die getragenen Socken müssen am Abend immer am gleichen Platz liegen – nämlich beim Kopfpolster. „Geh Mama, das ist doch so unordentlich!“, ihr Sohn hat es zuerst nicht verstanden, erst kurz vor ihrem Tod war ihm klar: Seine Ordnung ist nicht ihre Ordnung.

Meine Gefühle sind real, ich brauche keine Scheinwelten.

Ich möchte, dass ehrlich mit mir umgegangen wird.

„Wann wird denn mein Franz heute kommen?“ Liebevoll erklären die Pflegemitarbeiter*innen Elisabeth P. immer wieder, dass ihr Mann nicht mehr kommen kann, da er schon vor sechs Monaten verstorben ist. „Na, dann kann das nicht mein Mann sein, der war ja gestern noch hier.“, ruft Elisabeth P. erleichtert und setzt sich zum Kaffee.

Meine Gefühle sind real, ich brauche keine Scheinwelten.

Hol’ mich in meinen Gefühlen ab und korrigiere mich nicht.

„Fräulein, jetzt haben wir uns schon so oft gesehen, täten Sie mich eventuell heiraten?“ Maria G. bringt ihren Ehemann Johann täglich ins Tageszentrum und holt ihn wieder ab. Manchmal erkennt er sie – manchmal nicht.

Das Wandern ist des Müllers Lust.

Ich möchte mich frei bewegen, auch wenn es mit Risiko verbunden ist.

Wer rastet, der rostet – war das Lebensmotto von Maria P. Täglich läuft sie ihre (noch) vertraute Runde im Liechtensteinpark. „Hoffentlich finde ich wieder nach Hause?“, denkt sie manchmal laut nach. Zum Glück ist sie in ihrer Nachbarschaft gut bekannt und hat ihr Handy mit GPS immer mit dabei.

Das Wandern ist des Müllers Lust.

Ich möchte Türen öffnen und schließen können.

„Wo ist der Schlüssel zu meinem Zimmer? Das ist ja ein mieser Service in diesem Hotel!“ Wolfgang B. war früher viel auf Geschäftsreisen und verbrachte viele Nächte in Hotelzimmern. Wir gaben ihm einen Zimmerschlüssel und er fand für diesen Tag seine Ruhe.

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